Zwei grundlegend differierende Absichten des „Spekulierens“ sind zu unterscheiden: 1) die u.a. von den Designer*innen Dunne & Raby formulierte Hoffnung, über spekulative Zukunftsentwürfe „more desirable futures“ formbar zu machen sowie 2) die hier als beispielhaft dienende und als Predictive Policing bekannte Methode, Wahrscheinlichkeiten von noch nicht eingetretenen „Straftaten“ zu berechnen um diese bereits vor deren tatsächlichem Eintreten zu unterbinden.
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Im ersten Fall, zu dem im erweiterten Sinne auch die Beispiele aus dem vorigen Beitrag („Epistemische Spekulation“) zählen – „more desirable futures“ kann ja für alle etwas anderes bedeuten –, sollen die Möglichkeiten der Gegenwart und Zukunft ERWEITERT, im zweiten Fall zugunsten einer normierten Zukunft EINGESCHRÄNKT werden.
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Spekulation ist in beiden Fällen mit der Idee verbunden, Annahmen über die Zukunft tätigen zu können und insofern inhärent mit dem verwandt, was gemeinhin „Design“ genannt wird. Denn unabhängig von den verschiedenen Ausformulierungen als Sozio-Design, Produktdesign, Grafikdesign usf. ist Design ein planvoller Prozess, man könnte auch sagen: antizipierend. Horst Rittel hat das 1958 so ausgedrückt:
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„Anstatt sofort und unmittelbar ihre Umgebung durch den Versuch und Irrtum zu verändern, bis diese die gewünschte Gestalt annimmt, wollen Designer [sic!] sich eine Handlungsmöglichkeit ausdenken und sie gründlich prüfen, ehe sie sich zu ihrer Ausführung entscheiden. Entwerfen ist die Erstellung eines Plans. […] Sie werden vom Ehrgeiz geleitet, sich einen wünschenswerten Zustand der Welt auszudenken, dabei verschiedene Möglichkeiten seiner Herbeiführung durchzuspielen und sorgfältig den Konsequenzen der erwogenen Handlungen nachzugehen.“
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Und Friedrich von Borries 2016 so:
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»Design ist das planvolle – also absichtliche, vorsätzliche, zielorientierte – Gestalten von physischen und virtuellen Gegenständen, Innen- und Außenräumen, Informationen und sozialen Beziehungen«.
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Spekulation und Design sind also in der Regel lineare Prozesse, denn sie beanspruchen eine gewisse Nachvollziehbarkeit. In einem linearen Prozess stehen die einzelnen Parameter in einem proportionalen Verhältnis, d.h. die einzelnen Werte hängen über einen immer gleichen Faktor miteinander zusammen. Folglich kann aus dem Verhältnis zweier Werte auch auf weitere Werte geschlossen werden, z.B. aus einer imaginierten Zukunft auf die Gegenwart und vice versa. Mit Rittel könnte man hier Spekulation und Design versuchsweise als kausale Planung bezeichnen, in der das Denken über dem Handeln steht: „[…] ein bedeutender Anteil des Entwerfens geschieht unter bewusster intellektueller Kontrolle. Da Design eine Absicht, einen Zweck, ein Ziel hat, beruht es entschieden auf dem Denken.“
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Interessant wird es, wenn wir dieses Denken nun mit Marcus Steinweg als einen Gang ins Unbekannte verstehen, wenn Denken bedeutet, sich von allem Bekannten, von jeder Ausrichtung auf einen BESTIMMTEN Zweck zu lösen. Dann nämlich stehen Design und Denken in einem direkten Spannungsverhältnis, bestimmt durch diametral entgegengesetzte Logiken: Das eine als planvoller, zielgerichteter und linearer Prozess; das andere als Ausbruch aus eben diesem, als nichtlinearer Prozess voller Spontaneität und Zufälle. Wir bewegen uns zu auf ein Spannungsverhältnis, das Claudia Mareis in ihrem Buch „Theorien des Designs“ eher beiläufig nennt: Auf der einen Seite die Gestalt als „ordnende Gegenkraft“ zum anderseitigen Chaos. Dieses wird naturwissenschaftlich, und da verlassen wir Mareis schon wieder, als „Unvorhersagbarkeit von Prozessen“ definiert und soll an anderer Stelle fruchtbar gemacht werden.
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1 Dunne, Anthony/ Raby, Fiona: Speculative Everything: Design, Fiction, and Social Dreaming. Cambridge, Massachusetts, London: MIT Press 2013. S. 6
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2 Rittel, Horst: Die Denkweise von Designern. Hamburg: adocs Verlag 2012. S. 15 f.
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3 Borries, Friedrich von: Weltentwerfen. Eine politische Designtheorie. Berlin: Suhrkamp Verlag 2016. S. 9
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4 Rittel: S. 15 und S. 18
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5 Mareis, Claudia: Theorien des Designs zur Einführung. Hamburg: Junius Verlag 2016.
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6 Lobenhofer, Stefan: Chaos. In: Kirchhoff, Thomas (Hg.): Online Encyclopedia Philosophy of Nature/Online Lexikon Naturphilosophie. 2019. https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/oepn/article/view/68092/61837 (aufgerufen am 02.04.2020)
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