Sich im, in letzter Konsequenz ja irgendwie doch immer auch spekulativen und folglich nicht immer unweigerlich evidenzbasierten Bereich der gestalterischen Projektion den Forschungsformaten der Naturwissenschaften zu unterordnen, ist nicht immer möglich und nicht immer sinnvoll. Von außen wie von innen betrachtet, erscheint der Forschungsbegriff im Gestaltungskontext dabei mitunter diffus. Es stellt sich die Frage, welche originären Formen der Wissensgenerierung sich in den Gestaltungsdisziplinen – und wichtiger noch: aus ihnen heraus – entwickeln und anwenden lassen. Dies wird nicht unbedingt dadurch vereinfacht, dass wir hier in Feldern agieren, in denen Subjektives mit Objektivem, Implizites mit Explizitem, und eben auch Spekulatives mit faktenbasiertem, „wissenschaftlich abgesichertem“ Wissen verschmolzen wird.
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Der Vortrag über das "Zeug zur Erkenntnis" im Rahmen der interdisziplinären Tagung “Konstellationen – Wissensansprüche zwischen Kunst, Philosophie und Politik” (10. April 2021, Universität Tübingen) setzt sich mit der Dimension des Spekulativen (im) Design als eine im Artefakt verkörperte und aus ihm heraus vermittelte Form des Diskurses auseinander, aus der sich – so die Kernthese – eine Gestaltungskategorie ergibt, die sich nach anderen Maßstäben bemisst, als etwa denen von „Form“ und „Funktion“. Eine Art Diskurs-durch-Design, deren Wert sich gerade aus der Konfrontation mit anderen Praxisfeldern, Wissensdisziplinen und Denkschulen speist.
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Ein auf dem Vortrag basierender Beitrag zu dem in Vorbereitung befindlichen Sammelband zur Tagung, wird voraussichtlich 2024 erscheinen.
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Konstellationen – Wissensansprüche zwischen Kunst, Philosophie und Politik
"Im letzten Jahrzehnt haben sich im Bereich der Künste, der Humanities und im politischen Feld unter so verschiedenen Vorzeichen wie der „Bildtheorie“, des „situierten Wissens“, der „epistemischen Praxis“ oder des „Wissens der Künste“ eigene erkenntnistheoretische Ansprüche entwickelt, die sich grundsätzlich von klassischer propositionaler Erkenntnis unterscheiden. In Opposition zum erkenntnistheoretischen Geltungsanspruch der Philosophie wird Wissen weniger in der Absicherung und Objektivierung von Aussagen als im lebendigen Prozess seiner situativen Verwirklichung verstanden: Ein Wissen, das sich verortet und ins Spiel bringt im performativen Sprechakt, in der künstlerischen Praxis, in der Materialität des Bildes, in der Kultur und im politischen Handeln.
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Dabei ist die Frage nach der ästhetischen Form von Philosophie – vom deutschen Idealismus (Schelling, Hegel, etc.), über das konstellative Denken bei Benjamin und Adorno und den Poststrukturalismus – auch zunehmend ins Zentrum der philosophischen Reflexion und Praxis gerückt. Ob philosophische Arbeit als Dialog, Essay, System, Fragment oder Diagramm stattfindet, ist bedeutsam für den Inhalt, der sich in dieser Form äußert. Vor dem Hintergrund feministischer, queerer und postkolonialer Kritik suchen Strömungen wie die Akteur- Netzwerk-Theorie (Latour, Harraway) zunehmend auch die historischen, gesellschaftlichen und biographischen Bedingungen ihres Schreibens mitzuverhandeln. Psychoanalytisch informierte PhilosophInnen (Badiou, Ljubljana-Schule, u.a.), die von der Annahme eines Unbewussten ausgehen,müssen sich hingegen dazu verhalten, dass über den Stil philosophischen Schreibens stets mehr als das Gemeinte ausgesagt wird. Die ästhetische Form der Philosophie, in der die Bedingungen des Schreibens wiederklingen und verarbeitet werden, gilt dabei nicht als nachträgliche Vermittlung von Erkenntnis, sondern als konstitutive Voraussetzung eines philosophischen Erkenntnisanspruchs.
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Kunst, Kulturwissenschaften, feministische, queertheoretische und postkoloniale Kritik und Philosophie verbinden dabei auf je eigene Weise die ästhetische Form ihrer Produktion mit einem epistemischen Geltungsanspruch. Die Tagung „Konstellationen. Wissensformen zwischen Kunst, Politik und Philosophie“ möchte diese verschiedenen Selbstverständnissemiteinander in Kontakt bringen, aber auch gegeneinander in einen Wettstreit treten lassen. „Konstellation“ als gleichermaßen epistemischer und ästhetischer Formbegriff soll dabei helfen, jene historischen, materiellen und performativen Elemente mit in den Blick zu nehmen, die in der logischen Form des Satzes ausgeblendet bleiben. Anders als bei Propositionen entspringen die Regeln, nach denen Begriffe, Bilder und Handlungen zu einer wissensproduktiven Form in Konstellationen zusammentreten, diesem Formationsprozess selbst. Der Konstellationsbegriff erlaubt daher Differenzen und Widersprüche zwischen den verschiedenen Wissensproduktionen vergleichend in den Blick zu nehmen, ohne schon ein gemeinsames Erkenntnismodell vorzugeben.
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In der Konfrontation zwischen den verschiedenen Wissensansprüchen lässt sich womöglich ein anderes Selbstverständnis der Philosophie in ihrer Situiertheit andenken, das dem philosophischen Schreiben eine tiefere Verstrickung in die Zusammenhänge ihrer Genese und Wirkung abfordert: Nicht nur als Reflexion auf die Bedingungen ihrer Möglichkeit, sonderndurch die Aneignung dieser Bedingungen im „Durcharbeiten“ ihrer Form. Andererseits können Diskurse, die von der radikalen Bedingtheit des Wissens ausgehen, in der Auseinandersetzung mit der Philosophie klären, wie ihr Wissensverständnis auf eigene, andere Weise die Ansprüche auf Allgemeinheit, Gültigkeit, Rechtfertigung, und Schlussfolgerbarkeit des Wissens einlöst –oder ob es diese Ansprüche anders deutet, oder gezielt zurückweisen möchte. Die stärkere Reflexion auf geltungstheoretische Fragen mag gerade dazu beitragen, nicht in alte Dichotomien zu verfallen, bei denen ein „anschauliches Wissen“ der Künste einem „diskursiven Wissen“ in den Wissenschaften, bzw. ein „partikulares Wissen“ derEinzelwissenschaften dem Universalitätsanspruch der Philosophie konkurrenzlos neben- und untergeordnet wird.
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Eine Tagung, die sich mit der Bedingtheit von Wissen beschäftigt, muss sich auch mit dem politischen Kontext auseinandersetzen, durch den der Wissensbegriff in der Kunst und den Kulturwissenschaften Bedeutung erlangt hat. Mit der Transformation zur sogenannten “Wissensgesellschaft” geraten die Humanities und die Künste zunehmend unter Druck die eigene Praxis unter dem Begriff des Wissens zu rekonzeptualisieren, um ökonomische Verwertbarkeit zu signalisieren. Sollte man sich daher dem Wissensbegriff widersetzen, oder kann der Wissensbegriff auf eine Weise gebraucht werden, die sich der Verwertungslogik entzieht? Die Auseinandersetzung zwischen den Disziplinen soll dabei helfen, Perspektiven aufzeigen, wie die verschiedenen Wissensbegriffe in unserer Zeit emanzipatorisches Potenzial bewahren oder entwickeln können." (tag-ungkon-stella-ti-one-n.com)
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