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Chaotische Räume zu definieren ist absurd, denn sie lassen sich nicht festhalten. Insofern versuche ich mich in Annäherungen: Chaotische Räume sind nicht statisch. Sie zeichnen sich aus durch nomadische Akteur*innen und Aktanten, sowie verschiedene Variablen. Diese Variablen können binär sein (da/nicht da) oder komplex (wenn da, dann). Chaotische Räume reglementieren den Eigensinn nicht, oder zumindest vergleichsweise wenig: sie zeichnen sich aus durch undefinierte Stellen und einen geringen Normierungsgrad. Chaotische Räume sind offen nach außen, im Extremfall grenzenlos. Die Einflussfaktoren auf Akteur*innen und Aktanten sind unübersichtlich. Überhaupt ist der chaotische Raum eher unübersichtlich als klar, was auch für eine vollkommene Leere gelten kann. Normen und Formen können nicht abschließend identifiziert werden. Es gibt unzählige Schauplätze, keiner wichtiger als der andere.
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Weil es ohne Bewegung weder Begegnungen noch Chaos gibt, kommt dem Navigieren im chaotischen Raum eine existenzielle Bedeutung zu. Aber: Wie navigieren durch einen chaotischen Raum, in dem sich die Paramenter potenziell verschieben. Sich die Karte immer wieder neu schreibt. Was ist das Territorium des Chaotischen? Der chaotische Raum hat keine feste Topologie. Sie ist dynamisch, kein Rahmen an dem sich festgehalten werden könnte.
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Das Navigieren als ein Versuch des sich Zurechtfindens im topografischen Raum mit der Vorgabe einen anvisierten Zielpunkt zu erreichen, ist im Chaos-Kontext eine spannende Herausforderung, die zugleich schwer nach Sysiphos anmutet. Dies wird umso deutlicher, legt man der Navigation zwei (geometrische) Aufgaben zu Grunde: Die Ortsbestimmung als Feststellung der momentanen Position sowie die Ermittlung der besten (wahlweise: schnellsten, sichersten, praktikabelsten, aufschlussreichsten, schönsten, …) Route zum Zielort. Irgendwie reizt da ja auch der Gegenversuch: vielleicht so etwas wie "loslassen", „bummeln“, "treiben lassen". Dies birgt zugegebenermaßen die Gefahr der Verirrung und Zielverfehlung.
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Ja, das finde ich sehr spannend. Es gilt in jedem Fall den Begriff "Navigieren" erweitert zu denken. Ich denke da aktuell an zwei Perspektiven:
1. Das Subjekt, das irgendwo hin will. Das Navigieren im Chaotischen Raum aus Sicht dieses Subjekts müsste zweierlei einbeziehen: die spontane Reaktion auf Dinge, die „wahrgenommen“ werden sowie eine multi-perspektivische Spekulation.
2. Tom Holert schreibt in einem Text auf e-flux vom "age of navigational self". Daraus ableiten ließe sich auch eine Art navigatorisches Paradigma, unter dem dann Stichwörter wie (digitale) Spuren hinterlassen, tracking, Verortung, Nachverfolgung oder allgemeiner: navigiert werden subsumiert werden könnten.
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Sich auf Chaos einzulassen, bedeutet auch statt „was ist“ „was sein könnte“ zu denken – die spekulative Dimension, die ich aus Patricia Reeds Text „Versammlungen zur konstruktiven Entfremdung“ (2016) entlehne. Wir würden uns dann lösen von der Vorstellung ewiger Gewissheiten. Das ist nicht neu: Seit den 1980er Jahren versuchen auch die Kultur- und Medienwissenschaften Erkenntnisse aus der Chaos-Theorie einzuflechten, in ein neues Denken zu überführen. Damit einher gehen, wie wir ebenfalls von Reed abstrahieren können, gewisse Schwierigkeiten, was die Vorstellung von Karten, Begriffen, Räumen, Infrastrukturen betrifft. Es gibt für dieses Nichtvorhandene keine Begriffe, Karten, Räume usw. Sie müssen 1. noch geschaffen und 2. völlig neu gedacht werden. Denn gerade die vorhandenen Begriffe, Karten, Räume sind es, die auf Vorhersehbarkeit und Kontrolle ausgerichtet sind.
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Fragen für die nächsten Monate: Wie orientiert man sich im Chaos, im Vergleich zur statischen Welt der Binaritäten, Bilder, einfachen Identitäten? Wie lokalisiert man sich selbst im Chaos? Wie bewegt man sich durch das Chaos, das keine Koordinaten kennt? Was wäre die „Kartografie der Autonomie“ (Hakim Bey), eine Karte der „Chaos-Welt“ (Édouard Glissant)? Was wäre das chaotische Territorium? Wie und mit welchen Werkzeugen navigieren wir durch dieses nicht-Territorium der Chaos-Welt?
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